Schmierstoffe in der Lebensmittelindustrie
Erscheinungsjahr: 2006
Überall dort, wo es zu einem gelegentlichen oder gar zu einem technisch unvermeidbaren Kontakt des Schmierstoffes mit Lebensmittelprodukten kommen kann, sollen ausschließlich Schmierstoffe zum Einsatz kommen, die in einer von der NSF herausgegebenen Liste unter der Rubrik H1 namentlich aufgeführt sind. Die NSF (National Sanitation Foundation) ist eine unabhängige Organisation, die sich seit 1944 in den USA mit der Zertifizierung von Produkten, der Verfassung von Normen und der Durchführung von Prüfungen zum Schutz von Nahrungsmitteln, Wasser und Verbrauchsgütern befasst.
Allerdings ist die Verwendung eines NSF-H1 Lebensmittelschmierstoffes kein Freibrief. Ein Lebensmittel, das mit Schmierstoff kontaminiert oder verunreinigt ist, darf auch dann nicht in den Handel gebracht werden, wenn dieser Schmierstoff eine H-1 Zulassung hat.
Der Einsatz von Schmierstoffen mit NSF-H1 Zertifizierung gehört in der Lebensmittelindustrie schon lange zum Pflichtprogramm. Seit neuestem wird ihre Verwendung durch eine EG-Richtlinie auch bei der Produktion von Futtermitteln gefordert. Doch obwohl solche Öle und Fette nicht die üblichen metallorganischen EP-Additive z. B. auf Zink- oder Molybdänbasis enthalten dürfen, haben sie im Bereich der Lebensmittelproduktion oft mehr zu leisten als Schmierstoffe in anderen Bereichen der Industrie. Denn Wasser, Dampf und Reinigungsmittel machen ihnen überall zu schaffen. In der Fleischverarbeitung müssen sie resistent gegen tierische Fette, Blut und Salze sein. In der Getränkeindustrie oder bei der Herstellung von Obstkonserven greifen Fruchtsäuren an. Mehlstaub oder Zucker beeinträchtigen sie in der Backindustrie. Hinzu kommen oft extrem hohe Temperaturen, wie z. B. beim Konservieren oder auch extreme Kälte wie bei der Herstellung von Tiefkühlprodukten.
Die Formulierung der lebensmitteltauglichen Spezialschmierstoffe ist deshalb relativ komplex. Da sie nur aus den von der FDA (Food and Drug Administration) bzw. der NSF als unbedenklich gelisteten Komponenten hergestellt werden dürfen, können sie technisch gelegentlich an ihre Grenzen stoßen. Daher gilt noch mehr als beim Einsatz von konventionellen Schmierstoffen: Für die Formulierung und Auswahl des optimalen Schmierstoffs ist ein umfassendes Fachwissen und Praxiserfahrung unerlässlich.
Inhaltsverzeichnis
Sicherheit ist Trumpf
Schmierstoffe, die bei der Produktion von Lebens- und Futtermitteln oder von Getränken eingesetzt werden, müssen geschmacks- und geruchsneutral, vor allem aber gesundheitlich unbedenklich sein.
Mit einem von der NSF nach H1 zertifizierten Produkt geht der Betreiber auf Nummer Sicher, denn gemäß NSF dürfen nur unbedenkliche Rohstoffe in den Schmierstoffen enthalten sein. Dies betrifft sowohl Grund- und Basisöle, Additive und Wirkstoffe, aber auch die Verdicker in Schmierfetten.
Als Grundöle werden entweder mineralölbasische technische oder medizinische Weißöle oder ausgewählte Syntheseöle auf PAO-, Ester- und Polyglykol-Basis ausgewählt. Sämtliche Additivkombinationen müssen frei von Schwermetallen, wie z. B. Zink oder Barium sein. Aber selbst zugelassene Additive wie z. B. Phosphor oder Schwefel sind oft mengenmäßig begrenzt.
Basisöle und ihre Eigenschaften
Weißöle sind hoch ausraffinierte Mineralöle mit einem hohen chemischen Reinheitsgrad. Durch Bleicherdebehandlung erhalten die naturgelben Öle eine wasserhelle Farbe, daher der Name. Weißöle, manchmal auch als Paraffinum Liquidum bezeichnet, sind in technischen und medizinischen Qualitäten meist in niedrigen Viskositäten verfügbar. Medizinische Weißöle werden hauptsächlich als Grundstoff für Salben und Kosmetika eingesetzt.
Für Schmierstoffe werden überwiegend technische Weißöle verwendet, die auch mit den bekannten mineralölverträglichen Werkstoffen kompatibel sind. Doch die reinen Weißöle altern relativ schnell, wenn sie keine oxidationshemmenden Additive enthalten. Deshalb wurden in den letzten Jahren zunehmend Schmierstoffe mit synthetischen Grundölen entwickelt, die den mineralölbasischen Weißölen in punkto Oxidationsstabilität und Schmierfähigkeit überlegen sind.
PAO – Polyalfaolefine werden aus Rohbenzin oder aus Gasen (Propan) synthetisiert. In der Raffinerie werden meist einzelne Ethenmoleküle zu maßgeschneiderten ISO-Paraffinen mit ähnlich langen Kohlen-Wasserstoff-Ketten zusammengefügt.
Schmierstoffe auf PAO-Basis haben im Vergleich zu Weißölen gleich mehrere Vorteile:
- Sie verfügen über ein gutes Viskositäts-Temperatur-Verhalten (VI von ca. 140 und mehr)
- Sie sind sehr oxidations- und alterungsstabil.
- Sie haben eine niedrige Verdampfungsrate.
- Sie sind auch bei tiefen Temperaturen noch flüssig.
- Ihr Nachteil ist allerdings ihr relativ hoher Preis.
Ester entstehen auf der Basis einer Kombination von Alkohol und Säure. Die Veresterung kann Molekülketten mit unterschiedlichsten Kombinationen entstehen lassen. Hauptsächlich wird zwischen gesättigten und ungesättigten Estern unterschieden. Einige Verbindungsarten sind relativ gut biologisch abbaubar.
- Esteröle haben eine bessere natürliche Schmierwirkung als Weißöle.
- Das Viskositäts-Temperatur-Verhalten ist ähnlich gut wie bei PAO-Ölen.
- Gesättigte Esteröle sind auch ohne Zugabe von Additiven relativ alterungsstabil.
- Bei erhöhtem Wassergehalt neigen Ester jedoch zur Hydrolyse.
- Mit Dichtungen und Lacken sind sie nicht immer verträglich.
- Sie sind allerdings auch viel teurer als Weißöle.
Polyglykole sind eigentlich keine Öle im herkömmlichen Sinne, sondern mehrwertige Alkohole. Ausgangsprodukt für ihre Herstellung ist Naphta. Wie Wasser haben sie eine Dichte von ca. 1 g/cm3 (Mineral- und Syntheseöle von ca. 0.9 g/cm³). Sie sind daher meist sehr gut wasserlöslich und geben Wasser nur schwer wieder ab. Einige Typen sind auch biologisch schneller abbaubar.
- Glykolöle verfügen über sehr gute EP- und Schmiereigenschaften.
- Sie eignen sich besonders für Buntmetall- und Schneckengetriebe-Schmierung.
- Sie haben ein sehr gutes Viskositäts-Temperatur-Verhalten (VI über 200).
- Auch bei Hochtemperatureinsatz sind sie sehr alterungsstabil.
- Allerdings vertragen sie sich nicht mit allen Dichtungen und Lacken.
- Nachteil: Glykole sind völlig unverträglich mit anderen Synthese- oder Mineralölen.
Grundregeln für eine sichere Umstellung
Stellt ein Betrieb die Öle und Fette für seine Anlagen von konventionellen Produkten auf physiologisch unbedenkliche H-1 Schmierstoff um, so wird erwartet, dass danach alles mindestens genau so gut läuft wie vorher. Lange Nachschmier- und Ölwechselintervalle aufgrund guter Alterungsstabilität, hohem EP-Verschleißschutz, Verträglichkeit mit dem vorherigen Schmierstoff oder mit Dichtungen und Anstrichen und natürlich die NSF-H1 Zertifizierung werden wie selbstverständlich gefordert.
Heute sind im Gegensatz zu früher „Lebensmittel zugelassene“ Schmierstoffe mit hoher Leistungsfähigkeit und einem weiten Einsatzbereich, allerdings bei entsprechend höherem Preis, verfügbar. Doch es genügt nicht, wenn Schmierstoffhersteller diese Produkte im Sortiment führen. Leider haben nicht viele Außendienstmitarbeiter die für eine optimale Umstellung nötige Erfahrung, und oft können sie sich nicht die Zeit nehmen, um Interessenten, die häufig keine riesigen Ölumsätze tätigen, umfassend zu beraten. Hier kann oft auch der OELCHECK- Beratungsservice weiterhelfen.
Schmierstoffanalysen informieren rechtzeitig über drohende Schäden, Vermischungen oder Probleme bei der Umstellung. Dieses kostengünstige Werkzeug bietet besonders in der Umstellungsphase zusätzliche Sicherheit.
Besondere Anforderungen
Die zitierten „Grundregeln“ gelten für alle Branchen, Einsatzbereiche und Maschinenelemente. Darüber hinaus gibt es noch besondere Anforderungen, die z.B. bei der Auswahl von Getriebe-, Hydraulik- und Verdichterölen berücksichtigt werden müssen.
Getriebe können mit Ölen auf der Basis von Mineralöl/Weißöl, Polyglykol oder Ester geschmiert werden. Heute sind Getriebeöle auf der Basis PAO der Renner, denn sie sind meist gut mit den Resten von vorher verwendeten Mineralölen verträglich und enthalten daneben sehr wirkungsvolle EP-Additive.
Zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit von Getriebeölen reicht meist die Erfüllung der DIN 51517 alleine nicht aus. Oft sind zusätzliche namentliche Freigaben der Getriebehersteller oder besondere Verschleißteste, wie z.B. ein FVA-Grübchentest, gefordert. Ob das Verschleißschutzverhalten auch wirklich ausreicht, selbst wenn für das Frischöl ein guter FZG-Wert nachgewiesen wird, kann eine gründliche Gebrauchtölanalyse schnell beweisen.
Hydraulikanlagen können meist problemlos von mineralölbasischen Hydraulikölen auf PAO H-1 Öle umgeölt werden. Aber trotz guter Mischbarkeit sollte überprüft werden, ob die Additive der Öle miteinander verträglich sind. Sonst kann sich eventuell Schaum bilden oder das Luftabgabeverhalten einer Mischung wird so schlecht, dass Pumpenschäden wegen Kavitation drohen.
Wurde bisher ein detergierendes HLPD oder ein zinkhaltiges HLP Hydrauliköl verwendet, so sollte der Umölungsprozess so lange durch Laboranalysen kontrolliert werden, bis der Kalzium- bzw. der Zinkwert unter 15 ppm liegt.
Schraubenkompressoren erzeugen häufig die Druckluft für Lebensmittel-Verpackungsmaschinen. Mit der Druckluft können Ölnebel-Bestandteile in Lebensmittel gelangen. Da mineralölbasische Verdichteröle oft nur eine relativ kurze Standzeit haben, sollten im Interesse von längeren Ölwechselintervallen synthetische Kompressorenöle auf H-1-Basis den Vorzug bekommen. Bei ölgefluteten Kompressoren oder bei hohem Wasseranfall können Esteröle allerdings problematisch werden.
Ölanalysen zeigen nicht nur, wie lange das Öl jeweils im Einsatz bleiben kann, sondern informieren auch noch über eine funktionierende Wassertrennung.
Schmierfette
Die Umstellung von konventionellen Schmierfetten auf H-1 Fette ist ungleich schwieriger als bei Ölen. Lager oder Schmierleitungen können meist nicht problemlos oder nur mit erheblichem Aufwand vom bisherigen Fett gereinigt werden.
Auch bei der Auswahl von geeigneten physiologisch unbedenklichen Schmierfetten ist ausgesprochene Sorgfalt gefordert. Besonders hier sollte eine Beratung durch einen erfahrenen Verkaufs-Ingenieur des Fettherstellers erfolgen. Im Falle von fehlenden Informationen kann der kostenpflichtige Beratungsservice von OELCHECK weiterhelfen. Bei der Vorgehensweise der Umfettung vom bisher verwendeten Fett auf ein Schmierfett mit H-1 Zulassung gelten die gleichen Grundregeln wie für Öle.
Doch klären Sie unbedingt folgende Fragen:
- Sind altes und neues Fett miteinander verträglich? Das Mischen von Fetten mit unterschiedlicher Seifenbasis (z.B. Lithium mit Natrium) kann Fette oft extrem weich werden lassen.
- Muss das Fett komplett ausgetauscht und das Lager gründlich gereinigt werden oder genügt ein Durch- bzw. Nachschmieren in kürzeren Intervallen?
- Wie sieht es mit der Temperaturstabilität bei hohen Temperaturen aus?
- Meist haben H-1-Fette strukturbedingt kürzere Nachschmierintervalle. Wie häufig muss wie viel Fett nachgeschmiert werden?
- Ist das Fett in Zentralschmieranlagen gut förderbar?
- Können Gebrauchtfettanalysen zur Betriebssicherheit oder zur Klärung unbeantworteter Fragen beitragen?
Fazit:
Für die Versorgung von Maschinen in der Lebensmittelindustrie sind heute Schmierstoffe verfügbar, die nach NSFH1 zertifiziert sind und die auch fast immer ein so hohes Leistungsvermögen aufweisen können, wie konventionelle Produkte. Die meisten Schmierstoffhersteller führen Lebensmittelprodukte in ihrem Programm, doch nicht alle haben umfassende Erfahrungen vorzuweisen oder geben einem erfahrenen Beratungsingenieur die Zeit, den Kunden bei der Auswahl bzw. der Umstellung zu unterstützen.
Wichtig: Beachten Sie unsere Grundregeln.
- Verallgemeinern Sie nicht vorschnell.
- Behandeln Sie jede Maschine und jeden Anwendungsfall gesondert.
- Lassen sich im Zweifel von den unabhängigen OELCHECK-Experten beraten.
- Kontrollieren Sie, besonders in der Umstellungsphase, Ihre Maschinen mit Öl- und Fettanalysen.
- Bringen Sie nie Lebensmittel in den Verkehr, die mit NSF-H-1 Produkten kontaminiert sind.