Leckagen an Dichtungen trotz sehr guter Öl-Reinheit?

Wegen der kurzen Ölstandzeiten aufgrund von relativ hohen Temperaturen über 75°C im Hydrauliköltank haben wir vor ca. 6 Wochen einige stationäre Hydraulikanlagen von einem mineralölbasischen Hydrauliköl auf ein synthetisches Fluid umgeölt. Nach dem Wechsel zeigten Ihre Laborberichte einen Restgehalt an Mineralöl von weniger als 2 %. Die Ölreinheit war mit 17/14/11 sehr gut. Es gab keine negativen Befunde. Doch seit kurzem treten nun größere Leckagen an verschiedenen Dichtungen auf. Was kann hierfür der Grund sein?

 

OELCHECK antwortet:

Eine Dichtung wird in vielen Anwendungen als ein relativ unbedeutendes und kostengünstiges Maschinenelement angesehen. Fällt es aber aus, kann dies nicht nur für ein Hydrauliksystem fatale Auswirkungen haben. Bei Getrieben oder Motoren kann durch das Versagen der Dichtungen so viel Öl verloren gehen, dass Mangelschmierung auftritt, die zu Schäden bis hin zum Totalausfall führt. Bei mobilen Anwendungen kann außerdem die Umwelt erheblich beeinträchtigt werden. Wenn es im Zusammenhang mit einem Ölwechsel zu erheblichen Ölverlusten kommt, sollte unbedingt die Ursache dafür ermittelt werden.

In der Dichtungstechnik gibt es den Grundsatz: Leckagefreie Systeme existieren nicht! Leckagen treten demnach immer auf. Es ist lediglich eine Frage, wie genau man das System betrachtet. Bei Maschinen und Anlagen können Leckagen an statischen Dichtstellen, wie z.B. an angeschraubten Ölwannen, montierten Ventilblöcken oder zwischen Gehäusehälften vorkommen. Häufiger tropft das Öl aber aus dynamisch beanspruchten Dichtstellen. Meist machen die klassischen Radialwellendichtringe (Simmerringe) an rotierenden Wellen oder Linearführungsdichtungen, wie sie z.B. an hydraulisch bewegten Kolben eingebaut sind, Probleme.

Schmierstoffe interagieren sehr stark mit Dichtungsmaterialien. Sie tragen aber auch zum Funktionieren der Dichtwirkung bei. Verträglichkeitsprüfungen gegenüber Norm-Dichtmaterialen werden deshalb in den Normen für Getriebe-, Hydraulik- und Turbinenöle gefordert. Einige Hersteller bestehen sogar auf eigenen Freigaben für Dichtungswerkstoffe. In aller Regel verursacht ein Öl, das die Anforderungen erfüllt, keine Probleme. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass gerade nach einem Ölwechsel erhöhte Leckagemengen festgestellt werden, obwohl das neu eingesetzte Öl auch bei den Versuchen mit den Dichtmaterialien gut abgeschnitten hat. Dafür können gleich mehrere Ursachen verantwortlich sein.

  • Die Viskosität, eine der wichtigsten Öleigenschaften, hat Auswirkungen auf das mechanische Dichtungsverhalten. Ist der neue Schmierstoff dünnflüssiger als der alte, kann er, z.B. bei vorgeschädigten Dichtungen, leichter weglaufen. Ist er wesentlich zähflüssiger, bildet sich bei linearen Bewegungen ein dickerer Ölfilm. Es kann mehr Öl abgestreift werden.
  • Die Verträglichkeit zwischen dem Öl selbst und dem Dichtungsmaterial ist normgerecht, aber bei der Ölumstellung treten Probleme auf. Im Labor wird die Verträglichkeit zwischen Öl und einem relativ fabrikneuen Norm-Dichtungsmaterial durch statische Einlagerung im oberen Temperaturbereich geprüft. Eigenschaften, wie z.B. die Zugfestigkeit oder das Volumen des Dichtungswerkstoffes sollen sich dabei nur gering ändern. Das bedeutet, das Dichtungsmaterial sollte weder quellen noch schrumpfen, weder härter noch weicher werden, wenn es mit dem Schmierstoff in Kontakt kommt. Beide Effekte lassen sich in der Praxis beobachten. Es hängt vom Grundöl, der Additivierung und dem Dichtungsmaterial ab, welche Richtung eingeschlagen wird.
  • Bei der Umstellung von Mineral- auf Syntheseöl können durchaus Probleme auftreten. Synthetische Schmierstoffe auf der Basis von Polyalphaolefin oder Polyglykol lassen Standard-Dichtungen häufig etwas schrumpfen. Der Anpressdruck von Dichtlippen wird etwas geringer und die Leckagemengen erhöhen sich. Aber auch gegenteilige Effekte sind möglich. So können Syntheseöle auf Esterbasis oder geänderte bzw. verstärkte Additivsysteme ein Weichwerden und damit Quellen der Dichtung verursachen. Dies ist nicht minder problematisch, weil sich die Dichtung durch das "Wachsen" gerade bei dynamischen Dichtsystemen stärker, z.B. an eine Welle, anpresst. Die Temperatur an der Dichtlippe steigt. Es entstehen Abrieb, Alterung und Sprödigkeit, die letztendlich zur Zerstörung der Dichtung führen.
  • Bei Ölumstellungen kann eine deutlich andere Säurezahl (Neutralisationszahl/Acid Number), die z.B. durch eine andere Additivierung (zinkhaltig oder zinkfrei, anderer Typ eines Oxidationsinhibitors) zustande kommt, die Wechselwirkung zwischen Öl und Dichtung beeinflussen. Die Elastizität einer Dichtung kann sich langsam ändern, wenn das ursprüngliche Öl relativ "sauer" (NZ über 1.5 mgKOH/g) war und das neue Öl nahezu neutral (NZ unter 0.45 mgKOH/g) reagiert.

 

Fazit:

Grundsätzlich gilt, solange man sich an die Vorgaben und Freigaben der Anlagen- bzw. der Ölhersteller hält, treten kaum Probleme mit Dichtungen auf. Zu Leckagen kann es kommen, wenn beim Ölwechsel nicht mehr die gleiche Ölsorte verwendet wird. Besonders beim Einsatz eines anderen Öltyps, bei dem sich Zusammensetzung der Grundöle oder die Formulierung der Additive unterscheiden, sollten die Auswirkungen in Bezug auf die Dichtungen geklärt werden.

Quelle:

OELCHECKER Sommer 2013, Seite 8