Abweichungen der Rubrik „Additive“ - weisen diese auf eine Vermischung von zwei unterschiedlichen Öltypen hin?

Seit Jahren verwenden wir immer ein Öl des gleichen Herstellers mit der gleichen Bezeichnung und Spezifikationsangabe zur Schmierung unserer Anlagen. Es wird regelmäßig mit Trendanalysen überwacht. Ölwechsel erfolgen auf der Basis der Vorschläge der OELCHECK-Tribologen im Laborbericht. Besonderheiten sind uns dabei nie aufgefallen.

Doch beim aktuellen Laborbericht sind nun unter der Rubrik „Additive“ Abweichungen festzustellen, die im Vergleich mit den vorherigen Analysen oder auch zum Frischöl nicht ins Bild passen.

 

Weisen die veränderten Werte auf eine Vermischung von zwei unterschiedlichen Öltypen hin? Welcher andere Grund könnte sonst noch dafür in Frage kommen?
 

OELCHECK antwortet:

Nahezu alle Schmierstoffe oder Hydrauliköle enthalten zwischen 0,5 bis 10 % VI-Verbesserer, und auch Oxidationsinhibitoren sowie metallorganische Additive. Werden in einer Ölprobe bei den Elementen Kalzium, Zink, Bor, Phosphor, Barium oder Schwefel Additive nachgewiesen, die in vorhergehenden Untersuchungen nicht oder in einer anderen Konzentration ermittelt wurden, liegt der Verdacht nahe, dass es zu einer Vermischung unterschiedlicher Öltypen gekommen ist. Da sich bei einer Vermischung neben den Additivelementen in der Regel auch andere Parameter wie Viskosität oder VI ändern, kann es sein, dass derÖlhersteller sein Produkt mit einem anderen Grundöl „upgegraded“ hat, ohne dass dies aus einer geänderten Ölbezeichnung oder dem Datenblatt hervorgeht. Eine solche Änderung geht in der Regel auch mit einer leichten Anpassung der Additivierung einher.


In jüngster Zeit wird zunehmend bei mineralölbasischen Ölen ein Grundöl eingesetzt, das der Gruppe II zugeordnet werden kann. Im Gegensatz zu den Gruppe I-Ölen, die nur mit Hilfe von Lösungsmittel destilliert sind, haben die mittels Hydrocracking erzeugten Basisöle der Gruppe II einen höheren VI und einen Anteil von gesättigten, oxidationsstabilen Verbindungen von 90 %. Auch der Schwefelanteil ist deutlich niedriger. Mit dem in modernen Raffinerien in immer größeren Maßstab erzeugten Group II-Ölen kommt es jedoch nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Endproduktes oder zu Qualitätseinbußen. Allerdings müssen Formulierung und Additivierung an die verbesserten Ausgangsbedingungen angepasst werden. 
Basisöle können mineralischer oder synthetischer Herkunft sein. Das American Petroleum Institute (API) teilt sie in fünf Gruppen ein:

Ausschlaggebend für die Auswahl von Grundöltypen und Additiven sind Einsatzzweck und Anforderungen, die an den jeweiligen Schmierstoff gestellt werden.

Die mineralölbasischen Grundöle der Group I werden während ihres Produktionsprozesses, dem Solvent-Refining, am wenigsten verändert. Als reine Grundöle kommen sie meist nur für Anwendungen mit technisch relativ geringen Ansprüchen als Umlauf-, Isolier- oder Wärmeträgeröle zum Einsatz. 


Die mineralölbasischen Grundöle der Group II  werden in der Regel mit einem aufwändigen Hydrocrackverfahren erzeugt, mit dem Verunreinigungen aus dem Öl entfernt werden. Sie haben nicht nur eine klarere Farbe, sie enthalten auch mehr als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe. Darüber hinaus enthalten sie weniger als 0,03 % Schwefel und verfügen über einen Viskositätsindex von meist über 90. Damit haben sie eine deutlich höhere Performance als die Öle der Group I. Sie zeichnen sich vor allem durch bessere Antioxidationseigenschaften und damit ein optimiertes Alterungsverhalten aus. Dies bedeutet auch, dass den auf Typ II basierenden Ölen weniger Oxidationsinhibitoren oder VI-Verbesserer zugesetzt werden müssen. 

Neue Schmierölraffinerien erzeugen meist nur noch Group II-Öle, denn obwohl die Produktion teurer als die des Typs I ist, können die Hersteller der Fertigprodukte die Zusatzkosten durch Einsparung von Additiven durchaus wettmachen. Beim derzeitigen Überangebot von Group II-Ölen können günstigere Einstandspreise erzielt werden. Der Einsatz von Group II-Ölen ist für den Anwender überwiegend preisneutral und bringt keine technischen Nachteile mit sich.

Schmierstoffhersteller sind übrigens nicht verpflichtet, Anwender durch eine Änderung der Produktbezeichnung oder einen Hinweis in den Verkaufsunterlagen oder im Datenblatt auf eine Grundöländerung hinzuweisen. Bei OELCHECK fallen solche Änderungen jedoch durch einen direkten Frischölvergleich des Öles mit der gleichen Bezeichnung vor einigen Jahren und heute jedoch sofort auf. Auch bei Trendbeobachtungen von Maschinen, in denen nur Nachfüllungen vorgenommen werden, zeigen sich die grundölbedingten Additivveränderungen. Wenn diese zulässigen Abweichungen keine Qualitätseinbußen erwarten lassen, werden sie nicht besonders kommentiert. Eine verbesserte Alterungsstabilität kann meist sowieso nur durch unsere Tribologen im direkten Frischölvergleich mit Hilfe des IR-Spektrums gesehen werden. Anders sieht es bei silikonhaltigen Entschäumeradditiven aus, die bei einer geringeren Additivkonzentration zu niedrigeren Siliziumwerten führen und damit den Eindruck erwec­ken, dass weniger siliziumhaltiger Staub im Öl ist. 
Wenn Elemente oder Gehalt der Additive oder das IR-Spektrum plötzlich nicht mehr dem Frischöl oder bisherigen Trend entsprechen, fällt dies dem Tribologen natürlich sofort ins Auge. Er kommentiert dies aber nur, wenn er sicher ist, dass dies auf eine Vermischung mit einem anderen Öltyp hinweist, der bei weiterem Einsatz zu einem Schaden führen könnte.

Quelle:

OELCHECKER Sommer 2020, Seite 12