Die Probenentnahme – Basis zuverlässiger Analysen und Diagnosen

Erscheinungsjahr: 2024

Die korrekte Probenentnahme ist eine Grundvoraussetzung für aussagekräftige Laborergebnisse und zuverlässige Entscheidungen. Selbst modernste Prüfgeräte und erfahrene Auswerte-Ingenieure können ihr Potenzial nicht umsetzen, wenn aus Unkenntnis die Grundregeln einer professionellen Probenentnahme missachtet werden.

Inhaltsverzeichnis

  1. Bevor es losgeht ...
  2. 1. Wann? Zur rechten Zeit
  3. 2. Wo? Der richtige Ort
  4. 3. Wie? Die richtige Methode
  5. 4. Wo hinein? Der geeignete Probenbehälter
  6. 5. Welche Angaben? Informationen für das Labor

In der Praxis gibt es selten einen Königsweg der optimalen Probenentnahme. Des Weiteren ist es hier unmöglich, die individuellen Umstände vieler Tausend Maschinen und Anlagen umfassend darzustellen. Dagegen ist es sinnvoll, Regeln aufzustellen, die zeigen, was bei der Probenentnahme machbar ist und was eher nicht getan werden sollte. Branchenbezogene Praxis-Beispiele tragen in starkem Maße dazu bei, das Ganze in den Arbeitsalltag mitzunehmen.

Ziel ist es, repräsentative Öl- bzw. Betriebsstoffproben zu erhalten, die eine verlässliche Basis für Entscheidungen sind und gleichzeitig nicht denjenigen aus dem Blick zu verlieren, der diese Probe entnehmen muss.

Die kurze Betrachtung fünf einfacher Fragen verdeutlicht, worauf es bei der Entnahme einer Öl- bzw. Betriebsstoffprobe ankommt:

  • Wann?
  • Wo?
  • Wie? Womit?
  • Wo hinein?
  • Welche Angaben?

Bevor es losgeht ...

Ein seltener und kurzer Kontakt mit einem Schmierstoff ist unter normalen Umständen kein Problem. Dennoch sollten allgemeine hygienische und gesundheitliche Aspekte berücksichtigt werden!

Je öfter und länger die Haut in Kontakt mit Öl ist, desto wichtiger ist es, eine Schutzbekleidung wie Handschuhe und Schutzbrille zu tragen. Mit Öl verschmutzte Bekleidung sollte sofort gewechselt und verunreinigte Putzlappen nie am Körper, z.B. in den Hosentaschen aufbewahrt werden. Spezielle Cremes für die Haut dienen zusätzlich als Schutz.

Die folgende Tabelle zeigt einige praktische Bei­spiele und wichtige Hinweise und Empfehlungen.

Folgende Fragen helfen darüber hinaus, eine Probenentnahme gut vorzubereiten:

  • Stehen ausreichend Hilfsmittel zur Verfügung? Beispiels­weise nicht fusselnde Putztücher, Aufnahmebehälter für Alt- bzw. Spülölmenge oder auch Ölbindemittel?
  • Werden spezielle Werkzeuge oder Hilfsmittel benötigt?
  • Sind spezielle sicherheitstechnische Gegebenheiten der Anlage zu berücksichtigen?
  • Muss vor dem Zugang zur Anlage jemand informiert werden oder gar seine Zustimmung geben?

1. Wann? Zur rechten Zeit

Wann eine Öl-Probe entnommen wird, zielt in erster Linie auf den Betriebszustand der Maschine bzw. Anlage bei der Probenentnahme ab.

Die Regel ist einfach: Das Öl soll betriebswarm sein, sich in permanenter Bewegung und ständigem Austausch mit dem System befinden.

Dies hat folgende Vorteile:

  • Das sich in Bewegung befindliche Öl trägt zuverlässig im System vorhandene Partikel, sowohl Verschleißpartikel als auch Verunreinigungen.
  • Ein warmes Öl ist dünnflüssiger und damit leichter aus dem System zu entnehmen.
  • Ist die Entnahme bei laufender Maschine technisch möglich, entfallen Kosten für einen Produktionsausfall und Ab- bzw. Anfahren der Anlage.
  • Ist eine Entnahme bei laufender Maschine nicht möglich, sollte die Probe möglichst unmittelbar nach deren Abschaltung/Stillstand entnommen werden.

Ist beispielsweise die Maschine bereits ausgefallen und die Ölanalyse soll im Nachhinein helfen, die Schadensursache zu ermitteln, kann die Regel nicht eingehalten werden. Ein Vermerk auf dem Begleitschein hilft, dies bei der Beurteilung der Laborergebnisse zu berücksichtigen.

Wie oft, d.h. in welchem Intervall, sollten Schmierstoffe untersucht werden?

Die in der Tabelle angegebenen Zahlen sind Richtwerte. Unterschiedliche Betriebsbedingungen, verschiedene konstruktive Ausführungen und abweichende Anforderungen an die Verfügbarkeit können die angegebenen Richtwerte sowohl nach unten oder oben verschieben. Mehr dazu finden Sie im OELCHECKER Sommer 2024.

2. Wo? Der richtige Ort

Für eine Routinekontrolle des Öls aus einer Anlage mit Umlaufschmierung ist beispielsweise der Rücklauf vor dem Filterelement eine geeignete Stelle, um so viele Informationen wie möglich aus der Probe zu ziehen. Dann sind Informationen zum Verschleiß aller geschmierten Komponenten, über den Verschmutzungsgrad und den Ölzustand in der Probe enthalten. Die Entnahme nach dem Filter­element ist zu vermeiden, da bereits einige Informationen ausfiltriert sein können. Die Entnahme aus dem Filter selbst liefert ebenfalls keine repräsentativen Informationen zum Zustand des Öls und des Systems.

Existiert in Ölschmiersystemen keine spezielle Rücklaufleitung, beispielsweise in Motoren oder Getrieben, kann eine Stelle in der Speiseleitung nach der Pumpe gewählt werden. Dazu sollte, falls nicht vorhanden, eine geeignete Entnahmestelle permanent verbaut werden.

An Rohrleitungen sind Stellen mit turbulenten Strömungsverhältnissen zu bevorzugen, z.B. an oder kurz nach einem Rohrbogen.

Spezielle Fragen führen oft zu bestimmten Entnahmestellen. So erfolgt z. B. eine Probenahme direkt aus der Rücklaufleitung eines Lagers, um detaillierte Informationen über den Verschleißzustand eben dieses Lagers zu erhalten.

3. Wie? Die richtige Methode

Das „Wie“ zeigt nicht nur, welche technischen Möglichkeiten verfügbar sind, um eine Öl-Probe zu entnehmen. Vor allem geht es hier auch darum, die Sicherheit im Auge zu haben, z.B. bei mit Druck beaufschlagten Systemen oder bei sehr hohen Öltemperaturen.

Zur Probenentnahme bei laufender Maschine ist eine fest installierte Probenentnahmestelle notwendig. Diese ermöglicht einerseits eine repräsentative Probenentnahme und gleichzeitig eine hohe Sicherheit. In hydraulischen Systemen sind oft Minimess-Anschlüsse vorhanden. Dazu muss das Design des Probeentnahme-Tools an die Druckverhältnisse des Systems angepasst sein, z.B. je nach Höhe des Drucks durch ein Drosselventil.

Bereits ins System integrierte Anschlussstellen sind mit einer Staubschutzkappe versehen. Vor der Probenentnahme ist die Entnahmestelle zu säubern und eine entsprechende Teilmenge des abgelassenen Öls zunächst zu verwerfen, um die Probenentnahmestelle inklusive der Zuführungsleitung zu spülen. Andernfalls ist die entnommene Ölmenge nicht repräsentativ für das System.

Hermetisch geschlossene Systeme sind nur über spezielle Entnahmestellen zu beproben. Weist das Betriebsöl ungewöhnlich hohe Temperaturen auf, wie z.B. bei Wärmeträgeranlagen, sollte die Ölprobe über eine spezielle Kühlfalle entnommen werden.

Nicht jedes System bietet eine fest installierte Entnahmestelle. Nachstehend ein kleiner Überblick, wie Proben aus den Systemen entnommen werden können:

Beispiele zur Probenentnahme aus verschiedenen Systemen

  • 1. Während des Ölwechsels direkt in die Probenflasche
    Aus einem beliebigen Ölbehälter, wenn es keinen anderen Weg gibt, um eine Probe zu erhalten. Reinigen und spülen Sie die Entnahmestelle vor der Probenahme! Anwendbar z.B. für viele Kleinsysteme, Ölwannen etc. ohne eigene Umlaufschmierung. Auch hier muss eine kleine Menge des abgelassenen Öls zunächst verworfen werden, bevor die Probe direkt aus dem (“mittleren”) Ölstrahl entnommen wird.
     
  • 2. Von Motoren oder Ölwannen
    Mit einer manuellen Vakuumpumpe direkt in eine spezielle Probenflasche. Der Schmierölkreislauf von Motoren ist oft leicht zugänglich über die Öffnung für den Ölmess-Stab. Andere Systeme haben ggf. eine Inspektionsöffnung, einen Deckel o.ä. Den Schlauch dabei nicht zu lang bemessen!
     
  • 3. Online-Entnahme für Hydrauliken
    An einem Minimess-Anschluss mit einem druckreduzierenden Ventil direkt in einen speziellen Probenbehälter. Der beste Weg, um eine Probe online zu bekommen.
    Die Entnahme vor dem Filter ist wichtig. Bitte beachten Sie, dass hydraulische Systeme unter hohem Druck arbeiten, mehrere Hundert bar sind üblich!
     
  • 4. Industriegetriebe mit speziellen Entnahmestellen
    Spezielle Probenentnahme-Ports ermöglichen die Entnahme während des Betriebs. Eine gute Stelle zur Entnahme ist im Rücklauf vor dem Filter. Bitte beachten Sie, dass das System unter Druck arbeitet, in Umlaufschmiersystemen bis zu 10 bar.
     
  • 5. Fettgeschmierte Wälzlager
    Mit einem Entnahmeset für Fette, bestehend aus einer Spritze oder einem Spatel und einem speziellen Probenröhrchen oder mit einem so genannten "Grease-Theaf".

Sollen aus Systemen regelmäßig Ölproben entnommen werden, empfiehlt sich der permanente Einbau einer Entnahmestelle. Da­rauf spezialisierte Lieferanten bieten eine ganze Reihe unterschiedlicher Lösungen für druckbeaufschlagte und drucklose Ölsysteme.

Typische Probenentnahme-Ports zum Nachrüsten (Quelle: www.checkfluid.com)

Sind keine speziellen Probenentnahmeports vorhanden oder muss spontan eine Ölprobe entnommen werden, kann bei nicht laufender Maschine und druckentlastetem System die OELCHECK-Probenpumpe zum Einsatz kommen.

Eine Anleitung zum Umgang mit dieser Pumpe kann unter de.oelcheck.com/probenpumpe/ heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch ein Anleitungsvideo.

4. Wo hinein? Der geeignete Probenbehälter

Die allgemeinen Anforderungen an ein Probengefäß sind

  • sauber
  • ölbeständig
  • dicht schließend
  • möglichst transparent (und nach der Probenentnahme lichtundurchlässig verpackt)

Unsaubere Probenbehälter können die Testergebnisse erheblich verfälschen. Bereits benutzte Öl- oder Fettcontainer sind absolut ungeeignet. Lebensmittel-Verpackungen sollten ebenfalls tabu sein. Richtig sind unbenutzte, speziell gereinigte Probengefäße.

Probenbehälter aus HD-PE-Material sind für die meisten Schmieröle verwendbar, mit synthetischen Flugturbinenölen auf Phosphorsäureester-Basis sind sie jedoch nicht verträglich. In diesem Fall sollten Glasflaschen mit Metalldeckel zum Einsatz kommen.

Für Öl-Proben aus Getrieben, Hydraulikanlagen oder Dieselmotoren können öldicht schließende Kunststoff-Flaschen mit Temperaturbeständigkeit bis etwa 100 °C verwendet werden.

Transparente Materialien erlauben es auf einfache Art und Weise, unerwartete Veränderungen im Öl wie Farbe, Schmutz, freies oder emulgiertes Wasser vor der Analyse zu erkennen. Einige Labors bevorzugen braun oder grünfarbige Glas- oder auch Metallgefäße, um Veränderungen durch die Einwirkung von UV-Licht zu vermeiden. Nur wenige Öltypen sind davon betroffen und es bedarf einer längeren Zeit, dass UV-Strahlung die Ölprobe tatsächlich verändern kann. Wird die transparente Probenflasche nach der Entnahme verpackt, kann das ebenfalls vermieden werden.

Die erforderliche Probenmenge hängt von den durchzuführenden Tests ab. Für Routineproben von Getrieben, Motoren, anderen Schmierölen oder Hydraulikanlagen ist in der Regel ein Volumen von 80 ml ausreichend. Prüfverfahren wie beispielsweise die Bestimmung des Schaumverhaltens, des Luft- oder Wasserabscheidevermögens erfordern ein Volumen von 300 - 500 ml. Das Labor sollte den Kunden über die Mindestprobenmenge für die benötigten Tests informieren und geeignete Probenbehälter zur Verfügung stellen.

Für spezielle Anwendungen wie Kältekompressoren, Transformatoren- oder Wärmeträgeröle sind besondere Probengefäße erforderlich.

Übersicht für typische Anwendungsbereiche

  • 1. Allgemeine Anwendungen, Probenvolumen ca. 100 ml
    Ölproben von Getrieben, Motoren, Hydraulikanlagen und anderen Anwendungen 
    Fest verschließbar, nicht druck- oder gasdicht.
     
  • 2. Allgemeine Proben, Probenvolumen 0,5 - 1,0 l
    Wenn eine größere Menge an Öl benötigt wird, z.B. für Luftabscheidevermögen, Schaumverhalten. 
    Fest verschließbar, nicht druck- oder gasdicht.
     
  • 3. Kältemaschinenöle
    Aluflasche mit Metalldeckel. 
    Fest verschließbar. Gasdicht, druckfest.
     
  • 4. Transformatorenöle
    Metallflasche, gasdicht. 
    Achtung: Blasenfrei und zu 100 % befüllen! 
     

  • 5. Schmierfette
    Spritze und Röhrchen oder Spatel für Probenentnahme aus verschiedenen Bereichen.
    Alternative: Grease-Theaf

5. Welche Angaben? Informationen für das Labor

Oft wird unterschätzt, dass es neben einer korrekten Probenentnahme ebenso wichtig ist, dem Labor ausreichende Informationen zur Probe zu liefern. Die Bewertung durch einen Tribologen lebt von den Informationen, die ihm vorliegen.

Quelle:

OELCHECKER Winter 2024, Seite 4-6